Stadtteilmuseum
© Stadtteilmuseum Gallinchen 2012, Frank Lehmann
"Gallinchen, Du Perle an der Spree ... ", mit diesen Worten beginnt die Gallinchener Hymne. Ein Lied an die Heimat, stellt es doch Verbundenheit zu ihr dar, die sich über viele Jahre entwickelt hat. Gelegen an der schönen Spree, hat dieser Ort in seiner Gemarkung zwei Extreme aufzuweisen. Neben der herrlichen Spreelandschaft finden wir weite Flächen, bestehend aus dem bekannten märkischen "Karnickelsand". Für Gallinchen, einem Ort vor der Stadt Cottbus, ist die bisher aufgefundene schriftliche Ersterwähnung 1421, golin = Heide, also Dorf in der Heide, zu nennen. Seit diesem Zeitpunkt kann anhand einer Vielzahl von Dokumenten die Entwicklung des Ortes belegt werden. Eine frühslawische Besiedlung konnte im Gegensatz zu anderen Gemeinden bisher in Gallinchen nicht nachgewiesen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Siedler diesen Ort ausgebaut haben. Gallinchen, einst als eine kleine Siedlung im Bereich von Tschuga- und Jehsergraben gelegen, hat sich im Zusammenhang mit der schon frühen Karpfenzucht bereits zu Zeiten des Mittelalters zum heutigen Standort verlagert. In diesem kleinen Ort, einst Wohnsitz des Cottbuser Amtshauptmannes v. Mandelsloh (das Geschlecht saß hier von etwa 1574 bis 1700), lebten die Menschen weniger von den kärglichen Erträgen des Sandbodens westlich der alten Handels- und Salzstraße, als vor allem von der Viehwirtschaft in der Spreeniederung. Auch die Spreefischerei hatte für ihren Lebensunterhalt erhebliche Bedeutung. Frühere Eigentumsverhältnisse führten zur kirchlichen Einbindung nach Groß Gaglow. Somit gehörte das brandenburgische Gallinchen Jahrhunderte zur sächsischen Kirche in Groß Gaglow und die Gallinchener Kinder wurden nach sächsischem Schulrecht unterwiesen. Die politische Grenzziehung ist mit den Befreiungskriegen 1815 beendet worden. Die verheerenden Kriege der Jahrhunderte sind entsprechend den Überlieferungen glimpflich an Gallinchen vorbeigegangen. Nach dem 30jährigen Krieg lag lediglich ein Gehöft (in der Nähe des heutigen Hotels Jahrmarkthof) brach. In den Jahren von 1748 bis 1825 gehörte Gallinchen der Familie v. Pückler. Fürst Pückler musste es wegen seiner Schulden und einer geplanten Englandreise verkaufen. Da die Landwirtschaft nicht die notwendige Rendite abwarf, kam es bereits zum Ende des vorigen Jahrhunderts zur Auflösung des Gutes und zur Verparzelierung des Gutslandes. In den Jahren 1857, 1870, 1892 und 1898 tobten verheerende Großbrände, denen wesentliche Teile des Dorfkernes zum Opfer fielen. In Gallinchen siedelten sich seit der Jahrhundertwende immer mehr "Rucksackbauern" an. Diese arbeiteten einerseits in der örtlichen Spinnerei, in der Dampfziegelei oder in den inzwischen beliebten Ausflugsgaststätten, andererseits hatten sie ein Stück Land, das den Lebensstandard zu verbessern half. Viele Gallinchener fanden zu dieser Zeit auch Arbeit in den Fabriken von Cottbus. Seit etwa 1900 ist reges kulturelles Leben in Gallinchen zu verzeichnen. Gaststätten wie "Zur Linde" (heute griechisches Restaurant), Feiertag (1945 schon zerstört), Gutsschänke an der alten Dorfstraße, neue Gutsschänke Pischon - später Krüger (einst "Zum deutschen Kaiser", jetzt "Zur kleinen Puppenstube”), "Schloß Gallinchen", Kutzeburger Mühle (Erbpachtmühle, um 1975 abgerissen) zogen die Ausflügler an. Gallinchen nannte sich sogar Luftkurort! Das Vereinsleben blühte in voller Pracht. Bis zur "Gleichschaltung" im 3. Reich (in autoritären Staaten die Vereinheitlichung aller Lebensäußerungen auf politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gebiet. Unter dem Nationalsozialismus wurde sie mit dem Gesetz über die Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31.03.1939 eingeleitet.) gab es in schwarz und rot den Sportverein, Gesangsverein, Radfahrerverein und viele andere. Auch der Kriegerverein fehlte nicht. I n den 30er Jahren expandierte Gallinchen weiter. Trotz Eingang der örtlichen Industrie stiegen die Einwohnerzahlen an. Arbeit in der Stadt, günstige Verkehrsbedingungen und der starke Wohnungsbau führten dazu. Sprach man um 1900 noch vom Friedhof "nördlich des Dorfes" war um 1940 Gallinchen aus den Nähten geplatzt. Es entstanden die Siedlungsgebiete Kehrls Siedlung (Karl­Marx-Siedlung), Grenzstraße, Mitteistraße, Bereich Bergstraße (und Umfeld) und die Bebauung des nördlichen und südlichen Bereiches an der Reichsstraße 97, heute B 97. In den letzten Tagen des Krieges wurde Gallinchen durch 3 Bombenangriffe und starken Beschuss schwer in Mitleidenschaft gezogen. Viele Gallinchener Einwohner mussten dabei ihr Leben lassen, und ca. 50 % der Gebäude waren zum Ende des Krieges stark oder total zerstört. Nach Kriegsende wurde Gallinchen unter den gegebenen Bedingungen wieder aufgebaut und neue Besiedlungsmöglichkeiten genutzt. In der Landwirtschaft vollzog sich die Kollektivierung wie andernorts. Die landwirtschaftlichen Erfolge hielten sich wegen der vorhandenen Bodenverhältnisse im bescheidenen Rahmen. Gallinchen entwickelte sich immer stärker zum Vorort der Stadt Cottbus, lediglich getrennt durch die Autobahn. Die Mehrzahl der Bewohner fand Arbeit in der Stadt. Dies hat sich seit der Wende von Grund auf gewandelt. Schnell am Zuge und durch wesentliche Förderung von EG, Bund und Land kam eine wirtschaftliche Entwicklung in Bewegung, die sich sehen lassen kann. In den neuen Gewerbegebieten wurden viele Arbeitsplätze geschaffen, so dass die Cottbuser nach Gallinchen nicht nur zum Einkauf kommen, sondern ebenso Arbeit finden und hier auch ihr neues Heim errichten. Heute leben im Ort etwa 2700 Menschen. Die eigentliche Geschichte des eigenständigen Dorfes Gallinchen endet nach über 580 Jahren am 05.03.2003, dem Tag, an dem das Dorf Gallinchen eingemeindet und zum Stadtteil Gallinchen wird.
Geschichte des Ortes
“Alte Dorfschule” Gallinchen